Eoin Colfer: Artmis Fowl – Das magische Tor


Eoin Colfer: Artmis Fowl - Das magische Tor

Die bösartige Wichtelin Opal Koboi will die Weltherrschaft an sich reißen. Dafür muss sie das sagenumwobene magische Tor öffnen, das die gesamte Menschheit vernichten wird. Der legendäre Meisterdieb Artemis Fowl hat natürlich einen Plan, wie er das verhindern kann. Doch diesmal handelt es sich um ein Selbstmordkommando. Elfe Holly ahnt, was Artemis vorhat. Und sie wird alles tun, um ihn von seinem sicheren Tod abzubringen.

Jugendbuch

List (2013)

Originaltitel: Artemis Fowl – The Last Guardian

ISBN 978-3-471-35096-6

EUR 19,99




Leseprobe

Vor dem Polizeipräsidium erstreckte sich ein großer, gepflasterter Platz, in dessen Mitte das Eichelabzeichen der Zentralen Untergrund-Polizei kunstvoll aus goldbeschichteten Steinen eingearbeitet war. Aus Sicht der ZUP-Officer reine Verschwendung, denn sie gehörten nicht zu der Sorte, die sinnierend am Fenster stand und sich daran erfreute, wie die Erdsonne jeden einzelnen vergoldeten Stein aufschimmern ließ.

An diesem Tag schienen überhaupt alle geradezu magnetisch aus ihren Büros in den vierten Stock gerufen worden zu sein und drängten sich vor der Kommandozentrale, die direkt neben Foalys Labor lag.

Holly strebte direkt auf die dichteste Stelle zu und schob sich mit spitzen Ellbogen durch die merkwürdig stille Menge. Butler brauchte sich nur einmal zu räuspern, und schon teilte sich der Haufen wie von Geisterhand. Durch die entstandene Schneise ging Artemis schnurstracks in die Kommandozentrale, wo Commander Kelp und Foaly wie gebannt vor einem wandgroßen Bildschirm standen.

Foaly bemerkte das erschrockene Luftschnappen, das Butler stets begleitete, wenn er in Haven unterwegs war, und blickte sich um.

„Mögen die Vieren mit dir sein“, flüsterte er Artemis zu – sein Standard-Begrüßungsspruch der letzten sechs Monate.

„Ich bin geheilt, wie Sie sehr wohl wissen“, entgegnete Artemis würdevoll. „Was ist denn los?“

Holly stellte sich neben Trouble Kelp, der ihrem früheren Chef, Commander Root, mit den Jahren immer ähnlicher wurde. Nichts konnte Commander Kelp mehr aufhalten; einmal hatte er sogar versucht, einen Troll zu verhaften, der sein Bonbonpapier einfach auf die Straße geworfen hatte. Seither prangte ein Stück Ersatzhaut auf seiner Nasenspitze, das bei einem bestimmten Lichteinfall gelblich schimmerte.

„Neuer Haarschnitt?“, frotzelte Holly. „Root hatte genau den gleichen.“

Commander Kelp starrte unverwandt auf den Bildschirm. Er wusste, dass Holly gern Sprüche klopfte, wenn sie nervös war. Und sie hatte allen Grund, nervös zu sein. Genau genommen wäre nackte Angst passender gewesen, in Anbetracht der Situation, die sich da vor ihnen abspielte.

„Sehen Sie sich die Show an, Captain“, entgegnete er angespannt. „Spricht Bände.“
Auf dem Bildschirm waren drei Personen zu sehen, eine kniende, gefesselte und zwei, die sie bewachten, doch Holly konnte Opal Koboi zuerst nicht finden, weil sie die Wichtelin unter den Bewachern suchte. Doch dann begriff sie überrascht, dass Opal die Gefangene war.

„Das ist ein Trick“, entfuhr es ihr. „Garantiert.“

Commander Kelp zuckte die Achseln. Abwarten.

Artemis trat näher an den Bildschirm und suchte nach weiteren Hinweisen. „Sind Sie sicher, dass das live ist?“

„Es ist zumindest eine Live-Übertragung“, sagte Foaly. „Aber sie könnten es vermutlich auch vorher aufgezeichnet haben.“

„Von wo wird es gesendet?“

Foaly deutete auf die Nachverfolgungskarte auf dem gesplitteten Bildschirm. Die Linie lief von einem Satelliten des Erdvolks nach Südafrika, von dort nach Miami und dann kreuz und quer zu hundert anderen Orten; es sah aus wie das wütende Gekritzel eines Kindes.

„Sie haben einen Satelliten angezapft und die Verbindung über zahllose Router weitergeleitet. Das kann von überallher kommen.“

„Die Sonne steht hoch“, überlegte Artemis laut. „Anhand der Schatten würde ich schätzen, es ist früher Nachmittag. Wenn es denn wirklich live ist.“

„Das schränkt die Suche schon mal auf ein Viertel des Planeten ein“, sagte Foaly spöttisch.

Entsetztes Gemurmel hob an, als auf dem Bildschirm einer der beiden massigen Gnome, die hinter Opal standen, eine Menschenpistole zog. In seiner Hand sah die verchromte Waffe wie eine Kanone aus.

Mit einem Schlag schien die Temperatur in der Kommandozentrale um einige Grade zu sinken.

„Ich brauche Ruhe“, sagte Artemis. „Schaffen Sie die Leute raus.“
An einem normalen Tag hätte Trouble Kelp sich von Artemis diesen Befehlston nicht bieten lassen und weitere Leute in den Raum geholt, um ihm die Stirn zu bieten, aber dieser Tag war alles andere als normal.

„Alle Mann raus“, herrschte er die versammelten Officer an. „Holly, Foaly und der Menschenjunge bleiben, wo sie sind.“

„Ich werde auch lieber bleiben“, sagte Butler, der eine Hand schützend über den Kopf hielt, um sich nicht an der Deckenlampe zu verbrennen.

Niemand widersprach.

Statt sich mit der gewohnten, machohaften Langsamkeit zu trollen, stürzten die zum Gehen aufgeforderten ZUP-Officer davon, auf der Suche nach dem nächsten Bildschirm. Sie wollten nur ja nichts verpassen.

Foaly schloss die Tür mit einem Huftritt und verdunkelte die Fensterscheiben. Jetzt lenkte sie nichts mehr ab. Die anderen vier standen im Halbkreis vor dem Wandbildschirm und verfolgten die, wie es schien, letzten Minuten im Leben von Opal Koboi. Oder zumindest von einer Opal Koboi.


Die beiden Gnome trugen Partymasken, die auf jedes beliebige Gesicht programmiert werden konnten. Ihre Masken zeigten Pip und Kip, zwei Kätzchen aus einer beliebten Zeichentrickserie im Fernsehen, aber an der massigen Brust und den keulenförmigen Unterarmen waren sie trotzdem als Gnome zu erkennen. Hinter ihnen ragte eine eintönige, graue Wand auf, und vor ihnen kniete die zierliche Wichtelin in den Schlammspuren irgendeines Fahrzeugs. Die Beine ihres Designerjogginganzugs waren nass und schmutzig. Ihre Hände waren gefesselt, ihr Mund war mit Klebeband verschlossen, und Opal sah aus, als hätte sie wirklich schreckliche Angst.

Der Gnom mit der Pistole sprach durch eine VoxBox in der Maske, so dass seine Stimme klang wie die von Pip, der Zeichentrickkatze. „Okay, noch mal zum Mitschreiben“, kiekste er, und irgendwie klang er durch die alberne Stimme noch gefährlicher. „Wir haben die eine Opal, ihr habt die andere. Wenn ihr eure gehen lasst, lassen wir unsere am Leben. Ihr hattet zwanzig Minuten, jetzt sind’s noch fünfzehn.“

Pip entsicherte die Waffe.