Im Fischerdorf The Point an der Küste von Maine wird Hochzeit gefeiert. Die 19-jährige Florine heiratet Bud, ihre große Liebe und den Menschen, der sie kennt wie kein anderer. Bevor die beiden nach einigen Umwegen zueinanderfanden, hat Bud aus nächster Nähe erlebt, wie Florine jahrelang vergeblich auf die Rückkehr ihrer verschwundenen Mutter Carlie wartete. Schon bald nach der Heirat merkt Florine, dass das Happy End erst der Anfang ist: Ihre beiden in kurzem Abstand geborenen Kinder stellen sie vor ganz neue Herausforderungen, während Bud in einer weit entfernten Autowerkstatt arbeitet und sich plötzlich von einer Seite zeigt, die ihre junge Ehe auf eine harte Probe stellt. Und als wäre das nicht aufregend genug, erreichen Florine unheimliche, an ihre Mutter gerichtete Briefe. Wird sich das Rätsel um Carlies Verschwinden nach all den Jahren doch noch lösen?
Roman
Mare (2014)
Originaltitel: Written On My Heart
ISBN 978-3-86648-228-9
EUR 20,00
Leseprobe
Bud Warner und ich heirateten am 13. Juni 1971, gute zwei Wochen bevor unsere Tochter geboren wurde. Er hatte im Mai um meine Hand angehalten, als mein Bauch schon so groß war, dass ich kaum noch mit der Gabel vom Tisch zum Mund kam.
„Ich hab nachgedacht“, sagte er.
„Und worüber?“
„Sollen wir nicht heiraten, bevor das Baby da ist?“
„Wäre wahrscheinlich keine schlechte Idee“, sagte ich.
Ich liebte Bud schon, seit wir Kinder waren. Wie auch unsere Freunde Glen und Dottie waren wir in The Point aufgewachsen, einem Fischerdorf an der Küste von Maine. Vor acht Jahren, nicht lang nach meinem elften Geburtstag, war meine Mutter Carlie verschwunden. Sie war mit ihrer Freundin Patty für ein paar Tage in den Küstenort Crow’s Nest Harbor gefahren und dann von einem Einkaufsbummel nicht zurückgekommen. Trotz aufwendiger Suche hatte niemand je eine Spur von ihr gefunden. Mein Vater war nach ihrem Verschwinden vollkommen zusammengebrochen, und weil er weder für sich selbst noch für mich sorgen konnte, war ich zu meiner Großmutter ins Haus gegenüber gezogen. Ein paar Jahre später war Grand gestorben. Und im vergangenen Sommer dann auch Daddy, an einem Herzinfarkt, als wir mit dem Boot draußen waren. Auf seine stille Art hatte Bud dafür gesorgt, dass ich daran nicht zerbrochen war. Als er kurz nach Daddys Tod vor der Tür von Grands Haus aufgetaucht war, hatte ich ihn vorbehaltlos in mein Herz gelassen.
„Dann sollten wir es aber bald machen“, sagte ich. „In zwei Wochen hat Glen Urlaub und Dottie kommt vom College zurück. Es muss ja keine große Sache werden.“
Pastor Billy Krum, der in der kleinen weißen Kirche oben an der Straße den Gottesdienst abhielt, erklärte sich bereit, uns im Garten von Grands Haus zu trauen. Für mich würde es immer Grands Haus
bleiben, auch wenn sie es mir vererbt hatte.
Madeline Butts, Dotties Mutter, half mir, Grands Hochzeitskleid mit einem passenden Stoffstreifen weiter zu machen, und aus einer Spitzengardine, die meine Mutter Carlie bei einem Ausverkauf
erstanden hatte, bastelten wir einen Schleier. Von Buds Mutter Ida borgte ich mir ein paar blaue Bänder für den Strauß.
An unserem Hochzeitstag tauchte die Sonne alles in warmes, honigfarbenes Licht, und das Wasser im Hafen zwinkerte uns auf seinem Weg ins offene Meer zu. Sam, Buds Vater, geleitete mich von der Haustür an der Wildrosenhecke vorbei in den Garten. Er war vom Alkohol zerfressen und landete ein paar Tage später im Krankenhaus, und ich weiß nicht mehr, wer von uns beiden wen stützte.
Ich bemühte mich, meine Eltern nicht allzu sehr zu vermissen, als Bud und ich uns vor dem purpurnen Feuerwerk der blühenden Pfingstrosen gegenüberstanden. Ich sog ihren Duft ein, während wir schworen, einander zu lieben, zu achten und zu ehren, bis dass der Tod uns scheidet. Bud schob mir mit zitternder Hand einen einfachen Goldring auf den geschwollenen Ringfinger, und ich tat das Gleiche bei ihm. Als wir uns das nächste Mal küssten, waren wir Mr und Mrs James Walter Warner.
Der Empfang fand ungefähr zwei Meter neben der Trauung statt.
„Und, denkt ihr zwei schon ans Kinderkriegen?“, fragte Bert Butts, Dotties Vater, mit einem Blick auf meinen Bauch und hob grinsend sein Bierglas.
„Leeman hätte sich sehr gefreut dabeizusein. Er hätte bestimmt kein Problem damit gehabt, dass du hochschwanger bist“, sagte Stella Drowns.
Stella war damals ungefähr ein Dreivierteljahr nach Carlies Verschwinden bei Daddy eingezogen. Ich hatte sie lange Zeit gehasst, aber sie hatte ihn in seinen letzten Jahren glücklich gemacht, oder zumindest dafür gesorgt, dass er etwas Anständiges zu essen bekam. Sie war eine gute Köchin. Mittlerweile ging sie mir nur noch auf die Nerven. Meistens war sie entweder dabei, sich zu betrinken, oder damit beschäftigt, sich vom letzten Rausch zu erholen.
„Komm, Stella“, sagte Dottie, die als Brautjungfer neben mir stand. „Beleidige die schwangere Braut nicht an ihrem Hochzeitstag. Lass uns lieber auf all die Jungfrauen anstoßen, die wir kennen. Ich denke, für ein halbes Glas müsste es reichen.“ Sie schwang ihren rechten Arm – den Bowlingarm – um Stellas magere Schultern und steuerte mit ihr auf die improvisierte Bar zu, einen Klapptisch, den wir vor den Forsythiensträuchern aufgebaut hatten.
Buds Mutter Ida tauchte neben mir auf: „Zeit für den Hochzeitstanz. Bist du bereit?“
Ich nickte und ließ den Blick auf der Suche nach meinem frisch gebackenen Ehemann durch den Garten wandern. Ich entdeckte ihn schließlich bei den Rosensträuchern, wo er mit Glen und ein paar anderen irgendetwas Alkoholisches trank. Seine Schwester Maureen, eine schlaksige Dreizehnjährige mit haselnussbraunen Augen, kam auf mich zugelaufen. „Die Platte liegt schon auf dem Teller“, sagte sie. „Gib mir ein Zeichen, und es geht los.“
„Danke.“ Ich liebte Buds Familie, und an diesem Tag noch mehr als sonst. Vielleicht spürte Maureen, was in mir vorging, denn sie schlang unbeholfen ihre mageren Arme um mich. Das Baby strampelte in meinem Bauch, und sie wich erschrocken zurück.
„Hoppla!“, sagte sie.
Ich lachte. „Es will nur seiner Tante Hallo sagen.“
Bud kam zu uns. „Randaliert das Baby schon wieder?“
„Ich wette, du hättest nie gedacht, dass du das mal bei deiner Hochzeit sagen würdest.“
„Bei dir muss man auf alles gefasst sein“, gab er zurück.
„Seid ihr bereit?“ Maureen klatschte in die Hände und lief zu dem Plattenspieler, den Dottie mir geliehen hatte, weil bei meinem die Nadel so abgenutzt war, dass es einfach furchtbar klang.
„Bist du bereit?“, fragte ich und sah Bud an.
„Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, oder?“
„Und jetzt“, rief Maureen, „der Hochzeitstanz.“
Bud wurde rot, die ungefähr zwanzig Gäste klatschten, und Maureen setzte die Nadel auf die alte Single. Knisternd und knackend erklang Love Me Tender von Elvis Presley. Bud nahm meine Hand und legte seinen Arm um meine voluminöse Mitte. Sobald Elvis anfing zu singen, kamen mir die Tränen. „Ich weiß nicht, warum ich ausgerechnet dieses Lied ausgesucht habe“, schluchzte ich, während Bud mich verwirrt ansah. „Das war das Lied meiner Eltern.“
„Na ja“, sagte Bud, „dann wird es jetzt unser Lied, okay?“ Sanft wischte er meine Tränen weg. „Es ist ein schönes Lied. Passt genau zu uns beiden. Ich bin froh, dass du es ausgesucht hast.“
„Ich weiß“, sagte ich und packte die Tränen wieder in die Kiste mit den traurigen Erinnerungen. „Ich weiß. Ich muss nur daran denken, wie Carlie und Daddy in der Küche dazu getanzt haben. Sie fehlen mir, Bud.“
„Na klar tun sie das“, sagte Bud. „Aber dafür hast du mich und Junior. Und uns kann dir niemand wegnehmen, weder Tod noch Teufel.“
„Darf ich?“, fragte Glen, der neben uns aufgetaucht war.
„Ich weiß nicht, ob das schon beim ersten Lied erlaubt ist“, antwortete ich, als er mich im Arm hatte. „Aber du kommst genau im richtigen Moment.“
„Ich hab nicht auf die Liste mit den Regeln geschaut“, sagte Glen. „Dafür war irgendwie keine Zeit.“
„Schon in Ordnung. Ich bin froh, dass du da bist.“
„Ich auch. Ich wünschte, ich könnte länger bleiben.“
Er war seit Kurzem bei der Armee und sollte innerhalb der nächsten zwei Wochen nach Texas verlegt werden, und von dort ging es weiter nach Vietnam.
Bud würde nicht eingezogen werden. Eines der Dinge, die ich in unserer gemeinsamen Zeit erfahren hatte, war, dass er eine vernarbte Lunge hatte von einer Lungenentzündung als Baby. Außerdem war er gegen alle möglichen Tiere allergisch, was bedeutete, dass wir nie irgendeinen fellbesetzten Gefährten im Haus haben würden. Er war im Winter zur Musterung gewesen, aber die Armee hatte ihn abgewiesen.
„Dachte ich mir schon“, hatte sein Kommentar gelautet. „Ich wollte eh nicht dahin. Ist doch bescheuert, in einem Land zu kämpfen, von dem ich nicht mal weiß, wo es liegt.“ Danach hatte er einen langen Spaziergang gemacht, wie er es immer tat, wenn er über etwas nachdenken musste.
„Gefällt’s dir bei der Armee?“, fragte ich Glen.
Er zuckte die Achseln. „Zumindest komme ich so nicht auf dumme Ideen. Wenn ich zurück bin, werde ich Fischer. Hebt ihr Leemans Boot so lange für mich auf?“
„Machen wir“, sagte ich, in der Hoffnung, dass die Florine eines Tages wieder das tun würde, wofür sie gebaut worden war. Daddy hätte sich darüber gefreut. Er hatte das Boot geliebt. Verdammt, er war darauf gestorben, an einem Herzinfarkt, während ich keine zwei Meter entfernt auf dem Deck geschlafen hatte.
Das Lied war zu Ende, und Glen gab mir einen Kuss auf die Stirn. „Schickst du mir Fotos von dem Baby? Ist ja fast so, als wär’s von mir.“
„Ist es aber nicht“, sagte ich.
„Na ja, du weißt, wie ich’s meine. Wo wir uns so nahestehen und so.“
„So nah nun auch wieder nicht, aber ich verstehe schon. Puh, mir ist schwindelig. Ich muss mich mal hinsetzen.“
Glen führte mich zu ein paar Klappstühlen, die vor den Pfingstrosen aufgestellt waren, und ich ließ mich auf einen der warmen Metallsitze sinken. Eine von den Blüten streifte mein Gesicht, und ich vergrub die Nase in den seidigen Blättern. Das Baby drehte sich noch einmal und beruhigte sich dann. Maureen legte Going to the Chapel auf, und ein paar von den Hochzeitsgästen fingen an zu tanzen.
Dottie kam über den Rasen auf mich zugestapft und zog im Gehen an ihrem Kleid und ihren Nylons. Seit sie aufs College ging, hatte sie zugelegt, und Kleider hatte sie ohnehin noch nie ausstehen können. Wir waren extra zusammen in der Stadt gewesen, um etwas Passendes für ihren Auftritt als Brautjungfer zu finden. Das blaue Kleid war hübsch und hatte sich alle Mühe gegeben, aber es war offensichtlich, dass Dottie sich darin nicht wohlfühlte. Sie ließ sich neben mich plumpsen, und wir sahen den Tanzenden zu. Pastor Billy tanzte mit Maureen, und sie kicherte, als er sie herumwirbelte.
„Sind die beiden nicht süß?“, sagte Dottie.
Dann wanderte unser Blick zu ihrer Schwester Evie, die mit Glen tanzte. Sie war erst vierzehn, aber ihre Bewegungen wirkten viel älter. Sie wackelte von den Zehen über ihren kleinen Po bis in die Fingerspitzen. „Sieht aus, als hätte sie geübt“, bemerkte ich.
„Fragt sich nur, wofür“, sagte Dottie. „Auf jeden Fall riecht’s nach Ärger.“
„Meinst du, Glen merkt das?“
Er grinste wie ein Honigkuchenpferd, während er hin und her twistete. Evie wirbelte um ihn herum wie ein kurviger Tornado, warf den Kopf in den Nacken und lachte.
„Du kannst das Kleid ruhig ausziehen“, sagte ich zu Dottie.
„Nein. Ein bisschen halte ich noch durch. Dann kann ich dich daran erinnern, was ich schon alles für dich getan habe, wenn du mal in meiner Schuld stehst.“
„Ich weiß deinen Einsatz zu schätzen“, sagte ich. „Ich werde dich später sicher ab und zu als Babysitter brauchen.“
„Das ist wieder was, was ich für dich tun soll. Was tust du denn für mich?“
„Ich mache dich zur Patentante“, sagte ich. „Falls mir was zustößt, kümmerst du dich dann um das Baby? Wäre das okay für dich?“ Als sie darauf nicht antwortete, sah ich sie an. „Weinst du etwa?“
„Diese verdammten Blumen stinken zum Himmel“, sagte Dottie.
„Also, falls mir was zustößt –“
„Ja, Herrgott noch mal. Aber jetzt reicht’s, ich muss raus aus diesem verdammten Kleid.“ Damit stand sie auf und verschwand im Haus.
Die Hochzeitsgäste tanzten, aßen Hamburger und Hot Dogs, tranken Bier und tanzten weiter.
Irgendwann im Lauf des Nachmittags sprach Glen einen Toast auf uns aus. „Die zwei sind meine besten Freunde“, begann er, doch Dottie unterbrach ihn mit einem lauten „He!“
„Dottie auch“, fügte er hinzu, dann runzelte er die Stirn. „Jetzt habe ich vergessen, was ich sagen wollte. Ach so, ja. Ich wünsche ihnen und dem Baby alles Glück der Welt, und ich hoffe, sie denken daran, immer ein Bier für mich im Kühlschrank zu haben. Ich bin froh, dass Bud zu Verstand gekommen ist. Was Besseres als Florine hätte er nicht finden können.“
Alle klatschten. Ich dachte bei mir, dass Bud wahrscheinlich schon etwas Besseres als mich hätte finden können, aber trotzdem erhoben wir unsere Gläser und stießen an.
Der Champagner machte mich und das Baby übermütig, und ich kicherte den größten Teil des Nachmittags vor mich hin. Als es an der Zeit war, mir das Strumpfband auszuziehen, kitzelte Bud mich,
während er es über meine Wade und meinen Fuß streifte. Glen, Ray und Billy waren die einzigen unverheirateten Männer unter den Gästen, und keiner von ihnen sah so aus, als wollte er das
Strumpfband fangen. „He, das ist unfair“, sagte Pastor Billy zu Glen, als der hinter ihm in Deckung ging. Ray Clemmons, Glens Vater und Inhaber des Gemischtwarenladens oben an der Straße, verzog
das Gesicht, trat einen Schritt zur Seite und schob beide Hände in die Hosentaschen. Bud warf das Strumpfband in ihre Richtung, und Billy fing es auf.
Maureen war ganz aufgeregt, nachdem sie meinen selbstgemachten Brautstrauß gefangen hatte. „Eines Tages werde ich Billy heiraten“, flüsterte sie.
„Ich hätte ihn auch fangen können“, sagte Dottie, „aber ich werde niemals heiraten.“
„Es ist doch bloß eine Tradition“, wandte ich ein.
„Das ist mein Singledasein auch.“
Maureen setzte sich, und Pastor Billy kniete sich mit dem Strumpfband vor sie. Sein Gesicht lief dunkelrot an, als er es über ihr knochiges Knie schob.
„Ich frage mich, warum Pastor Billy nie geheiratet hat“, sagte ich.
„Gute Frage“, sagte Dottie. „Vielleicht wartet er, bis Maureen alt genug ist.“
Ich dachte daran, wie Glen Evie angehimmelt hatte. „Was haben die hier eigentlich in die Drinks gemischt?“
„Einen Liebestrank, was sonst? Ich trinke jedenfalls nichts davon.“
Der Tag trudelte in einen zauberhaften Sonnenuntergang. Die Flut kam, und das Wasser zeigte uns seine andere Seite, als es wieder in den Hafen zurückfloss. Die Party ging munter weiter, was wunderbar war, zumindest für alle, die nicht im neunten Monat schwanger waren. Glen kümmerte sich um die Musik, trank Bier und sang laut und falsch bei fast jedem Lied mit, das er auflegte. Die Mädchen und Frauen tanzten miteinander oder mit Bert und Pastor Billy. Ray saß ein wenig abseits mit Sam, der nicht nach Hause wollte, obwohl er aussah, als könnte er jederzeit beim Tod an die Tür klopfen und würde sofort hereingelassen.
Ich gab mir alle Mühe, bei meiner eigenen Hochzeit durchzuhalten. Ich tanzte ein paarmal, aß einen Hamburger und ein Stück Hochzeitstorte und trank noch ein bisschen Champagner. Doch irgendwann hatte mein Körper genug. Ich hielt Ausschau nach Bud und sah, dass er Stella, die sich kaum noch auf den Beinen halten konnte, über die Straße zu ihrem Haus brachte.
„Ich schulde dir jetzt schon einiges“, sagte ich zu Dottie, die mittlerweile in Shorts, T-Shirt und Flip-Flops neben mir saß.
„Wofür denn?“
„Dafür, dass du dich so um Stella gekümmert hast“, sagte ich. „Danke.“
„Ach, das war nicht so wild. Wir haben fast die ganze Zeit über Leeman geredet.
Darüber, dass sie so gerne seine Frau geworden wäre. Ich glaube, sie braucht ein Hobby, damit sie mal auf andere Gedanken kommt und nicht immer so traurig ist.“
„Sie will aber gar nicht auf andere Gedanken kommen.“
„Ja, da könntest du recht haben.“
Bud kam im Schein der untergehenden Sonne auf mich zu. In dem Licht glänzte sein dunkles Haar, und seine Augen glühten wie zwei Kohlenstücke. Lächelnd kniete er sich vor mich hin. „Nun, Mrs Warner, es ist Zeit für unsere Hochzeitsnacht.“
Er sah zu Dottie, die sofort aufsprang und sagte: „Das hat ja wohl hoffentlich nichts mit mir zu tun.“
Sie ging zu Glen hinüber, der den unermüdlichen Wirbelwind Evie beobachtete. „Hast du ihr was von dem Bier gegeben?“, fauchte Dottie ihn an. Er schüttelte den Kopf, aber es wirkte nicht sehr überzeugend.
Ich sah Bud an. „Unsere Honeymoon-Suite liegt direkt über der Partyzentrale. Was meinst du, wie das wird, wenn wir die ganze Nacht von der Musik und den Gesprächen beschallt werden?“
„Heute Nacht schlafen wir nicht hier“, sagte er. „Ma und Dad haben uns ein Zimmer im Stray-Away Inn reserviert.“ Als er meinen Blick sah, musste er grinsen.
„Deine Tasche ist schon gepackt. Lass uns verschwinden.“
Und so fuhren Mr und Mrs James Walter „Bud“ Warner in das Hotel an der Küste, wo sie Hummer und Steak verspeisten – zusammen mit einer Flasche Champagner auf Kosten des Hauses – und vom Balkon ihrer Suite den Sternenhimmel betrachteten.
Mrs Warner überreichte Mr Warner die Schlüssel zu Petunia, dem 1947er-Coupé ihrer Mutter, was Mr Warner dazu veranlasste, überrascht nach Luft zu schnappen und seiner frischgebackenen Braut ewige Liebe zu schwören. Mr Warner schenkte Mrs Warner einen Ring mit einem kleinen Smaragd, als Ersatz für den Ring, den sie bei der Seebestattung ihres Vaters über Bord geworfen hatte. Mrs Warner weinte und küsste ihn so überschwänglich, dass sie beide fast ohnmächtig wurden. Dann versuchten sie, die Ehe zu vollziehen, was ein wenig schwierig war, da das Baby den größten Teil des Raumes einnahm, der dafür nötig gewesen wäre. Schließlich schliefen sie lächelnd ein.
Irgendwann in der Nacht wachte ich auf. Ich streckte die Hand nach Bud aus, um mich zu vergewissern, dass er da war, wie ich es schon viele Male getan hatte, seit er bei mir eingezogen war. Er tat das Gleiche.